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Die Lübbensteine

Bedeutung der Großsteingräber af dem St.Annenberg in Helmstedt

Einer der vielen Zeitungsartike aus der Feder von Robert Schaper zur Geschichte der Stadt Helmstedt.

Robert Schaper
An dieser Stelle wurde kürzlich über die Entstehung der Großsteingräber berichtet. Im Kreise Helmstedt gibt es an zwei Stellen solche urtümlichen Bauten, beide in diesem Jahrhundert wiederhergestellt: die Lübbensteine auf dem St. Annenberge bei Helmstedt und ein Großsteingrab am Rande des Dorms oberhalb von Groß Steinum.

Diese beiden Megalithgräber - wie die wissenschaftliche Bezeichnung lautet - unterscheiden sich von den meisten ihrer Art durch die Struktur, die die einzelnen Steine aufweisen. Die meisten der Steine, aus denen die großen Gräber bestehen, hatten eine weite Reise hinter sich, als sie zum Bau Verwendung fanden.

Es sind Granitblöcke aus den nördlichen Ländern Europas, die während der Eiszeit auf den Rücken der Gletscher nach Deutschland geführt wurden und hier als Materials für diese zyklotischen Bauten dienten. Die Steine von Helmstedt und Groß Steinum aber sind anderer Art. Sie sind hier "gewachsen"; es sind Braunkohlenquarzite, so genannt, weil man sie in der in unserer Gegend anstehenden Braunkohle fand und findet. Sie heißen auch Knollensteine, weil ihre Struktur viele knollenähnliche Auswüchse zeigen. Man findet auch kleinere Steine dieser Art, die dann als bizarre Gebilde vielfach in öffentlichen Anlagen und Gärten zu finden sind.

Nun scheint es so, als ob der Zweck dieser Hünengräber klar auf der Hand liege. Es sind hier keine mündlichen oder schriftlichen Zeugnisse aus der Entstehungs- oder Benutzungszeit dieser Bauten auf uns gekommen. So sind wir auf Vermutungen angewiesen, welchem Zwecke diese Megalithgräber gedient haben mögen. Im Laufe der Jahrhunderte sind immer neue Theorien aufgetaucht und selbst heute noch steht Meinung gegen Meinung.

Eins ist sicher und bedarf wohl kleines Beweises: dass es sich um Gräber handelt. Dennoch wurden diese Bauten in früheren Jahrhunderten für den Mittelpunkt von Thingplätzen gehalten, und wenn in der Gegend von Bremervörde zum Beispiel im Jahre 1499 an einem Hünengrab ein "Landtag" abgehalten wurde, so sind diese Gräber für solche Veranstaltungen sicherlich nicht gebaut worden.

Eine andere These besagt, dass diese Urbauten als Altäre und Opfersteine gedient hätten. Vielleicht ist hier und da einmal an einem solchen Riesengrab geopfert worden, aber der eigentliche Zweck war das nicht. Andere Schriftsteller sprechen in diesem Zusammenhang von Siegesmonumenten und Turnierplätzen, auch wohl von Heldenmalen. Und vielleicht ist es noch in der Erinnerung des einen oder des anderen Lesers, dass im Dritten Reich von germanischen Gotteshäusern die Rede war.

Aber um das Jahr 1500, zur Zeit des Humanismus, begann man ernsthaft über den Zweck dieser Monumente nachzudenken, und man war bald überzeugt, dass es Gräber seien. Diese Meinung trat vor allem seit der Zeit zutage, als man zu graben begann, und als Pionier auf diesem Gebiete trat der Helmstedter Professor Hermann Conring hervor, Hofmedicus mehrerer Landesherren und Begründer der deutschen Rechtswissenschaft. Dieser "Polyhistor war auch ein großer Altertumsfreund. Er war der erste Verfasser einer Orts- und Landesgeschichte und berücksichtigte in seinem 1665 erschienenen Werke "De Antiquissimo Statu Helmesstatii die noch vorhandenen "Antiquitäten". So legte er wenigstens eines der beiden Gräber auf dem St. Annenberg mit seinen Studenten frei und, erkannte sie einwandfrei als Gräber, wenn auch als Riesengräber.

Später, vor allem in der Zeit der Romantik, bemächtigten sich Malerei und Dichtkunst der Großsteingräber, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen auch die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse heraus. Wenn auch kein Leichnam mehr in ursprünglicher Lage gefunden wurde und die Beigaben nur vereinzelt vorhanden waren, so sind doch grundlegende Erkenntnisse der Megalithkultur gewonnen worden, nachdem auch in diesem Jahrhundert weitergegraben und weitergeforscht wurde.

Aus der Vielzahl der Grabtypen, die sich -nach Rudolf Pörtner: Bevor die Römer kamen - nach Größe, Grundriss und Ausstattung unterscheiden, lassen sich drei Grundmodelle ableiten, nämlich der Dolmen, das Ganggrab und die Steinkiste. Hier mag uns nur das Ganggrab interessieren, das in Deutschland vorherrscht. Auch die Hünengräber auf dem St. Annenberge waren so angelegt. Die Kammer des wiederhergestellten nördlichen Grabes misst sieben Meter im Lichten, fünf Paar Tragsteine entsprechen fünf Decksteine. Ringsherum ist ein Erdwall aufgeworfen, der nach außen hin wieder mit großen Steinen abgesichert ist. Eine Lücke im Wall und in den Tragsteinen bildet den Zugang. Nach dem, was die Forschung bisher festgestellt hat, handelt es sich um Familiengräber, eine Art von Erbbegräbnissen. Nachbelegungen waren an der Tagesordnung. In einem Grab bei Fallingbostel fand man fünfzehn Schädel! Dabei ging man nicht gerade pietätvoll mit den Resten der Altvorderen um, wenn eine neue Beisetzung geschah. Ja, manchmal erhöhte man den Boden der Grabkammer, um 25 bis 30 cm, um die dort liegenden Gebeine zu verdecken und Platz
für neue Bestattungen zu schaffen.

Um den tieferen Sinn dieser großen Grabanlagen zu entdecken, ist es wohl nötig, zu erfahren, wer die Erbauer waren und woher sie kamen. Vor einigen Jahrzehnten war man in Deutschland der Meinung, dass die Großsteingräber eine Idee der "nordischen" Rasse und vorn Norden zu uns gekommen sei. Aber schon Montelius, der sich um die Vorgeschichte des nördlichen Europa verdient gemacht hat, war bereits um die Jahrhundertwende der Meinung, dass die Heimat der Megalitharchitektur im Orient zu suchen sei, und dem haben sich andere Forscher angeschlossen. In diesem Zusammenhang gehören sowohl die Pyramiden der ägyptischen Pharaonen als auch das Grabmal, das sich der Ostgotenkönig Theoderich im fünften nachchristlichen Jahrhundert zu Ravenna erbauen und mit einem einzigen ungeheuren Deckstein schließen ließ.

Der Weg, den die Verbreitung der Megalithgräber genommen hat, soll ungefähr von Kleinasien und Ägypten über Süditalien, Südfrankreich und Spanien gegangen sein, dann von Südfrankreich über die Bretagne oder von Portugal durch die Biskaya zu den britischen Inseln. Von hier aus erst ging der Weg über Jütland nach Skandinavien und Deutschland.

Und wer waren die Menschen, die diese zyklopischen Bauten errichteten? Um mit einer negativen Aussage anzufangen: sicherlich keine Jäger und Nomaden, die bei ihren Wanderungen gar nicht die Zeit hatten, diese Riesenbauten zu erstellen, und auch nicht die Menschen, um diese Massen zu bewältigen. Es waren sicherlich Bauern, Viehzüchter und Ackerleute, die sesshaft waren, denn sie brauchten nicht nur Zeit, um diese großen Bauten aufzuführen, sondern auch viele Arbeitskräfte, und so ist zu vermuten, dass es außer freien Grundbesitzern, denen diese Megalithgräber als Familienbegräbnisse dienten, auch Knechte, wenn nicht gar Unfreie gab, die diese Gräber bauen halfen.

Die Lübbensteine sind ein Prototyp für diese Annahme. Wald, Wasser und Weide - das dreifache W! - bot den Siedlern hier alles, was sie brauchten, um zu leben, und während sie im fruchtbaren Tale der Langen Welle siedelten, betteten sie ihre Toten auf dem Hügel zur letzten Ruhe. Ungeklärt ist allerdings die Frage, wo die anderen Toten bestattet wurden, die Familienangehörigen und die Knechte.

Eine Antwort auf diese Fragen scheint der britische Forscher Gordon Childe, zuletzt (1957) Professor für prähistorische Archäologie und Direktor des Archäologischen Instituts der Universität London, zu geben. Er nimmt an, dass es in der jüngeren Steinzeit eine "megalithe Religion" gab, die ihren Ursprung im Vorderen Orient hatte und durch Händler, die nach Rohstoffen in fremden Ländern suchten, verbreitet wurde; später aber auch durch eigentliche Missionare. Und als diese Missionare ausblieben, seien die von dieser Religion "Faszinierten" -in erster Linie die Söhne der Häuptlinge oder Adeligen gewesen - eben der Großbauern, und diese seien dann im Laufe der Zeit zu Volksführern und Kriegshelden geworden, ohne aber ihre geistliche Aufgabe zu vernachlässigen. "Starben sie, so war es den Zurückbleibenden eine selbstverständliche Pflicht, sie so zu bestatten, dass ihre Leiber bewahrt blieben: in den großen Steingräbern, die zu bauen ihre Erwecker sie gelehrt hatten".

Denn wenn auch im Einzelnen über diese erste "Weltreligion" nichts bekannt ist, so ist doch so viel zu ersehen, dass es sich um einen Glauben gehandelt hat, der ein Weiterleben nach dem Tode lehrte. Darum diese Erbbegräbnisse der Großbauernfamilien.

Nun sind diese Hünengräber gerade in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen nicht so ohne weiteres so übernommen worden, wie sie auf dem oben genannten großen Umwege zu uns gekommen sind. Überall sind sie anders geformtworden, und noch in Norddeutschland mussten sie sich schöpferische Abwandlungen gefallen lassen. Das alles mag auch auf die Großsteingräber des St. Annenberges zutreffen, und so soll zum Schluss noch einmal Rudolf Pörtner zu Worte kommen:" "Die Hünenbetten sind ein erstes Beispiel für das vitale und eigenwillige Verarbeiten fremder Einflüsse, das einer der Wesenszüge der Deutschen Geschichte ist. In den Mythen orientalischer Wanderhirten wurzelnd, hat die bis tief in die Bronzezeit fortwirkende Megalithkultur gerade in Schleswig-Holstein und Niedersachsen Züge angenommen, die auf ein selbstbewusstes, charaktervolles und tüchtiges Bauernvolk hinweisen. Selbst skeptische Forscher sind der Ansicht, dass dieses Bauernvolk sich in seiner rassischen Grundsubstanz bis heute erhalten hat".


Beitrag:Robert Schaper, Bilder:Herbert Rohm


Quelle:
Helmstedter Altstadt-Brief   
Ausgabe:  2 / 2025
Redakteur - Herbert Rohm

Seit dem 11.06.2025 wurde diese Seite 30 mal aufgerufen.

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