Döhring und Lehrmann - die Geschichte
War da was? Was war da?
Drei Wohnbauten der besonderen Art waren es, die noch nach dem Zweiten Weltkrieg von der Bedeutung dieser Firma berichten konnten, die Häuser:
Südstraße 10A (heute 8+9)
Parkstraße 1 (heute 1+3)
Johannesstraße 7 (heute 15)
Es waren die Privathäuser der Familien Theodor Döring und Heinrich Lehrmann.
Alle drei Häuser sind herrschaftlich konzipiert. Sie trennen den Bereich der Dienstboten durch gesondert geführte Treppenhäuser vom Privatbereich der Familie. Weite Parks stellten gebührenden Abstand her. Mit dieser Konzeption und der Aufnahme der Elemente des Jugendstils (1900-1910) stellen sie nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg der Firma vor, sondern auch die persönlich Kultur und den gesellschaftlichen Anspruch der Erbauer.
Das Haus Parkstraße 1 ist fast vollständig konserviert. Alle drei Häuser haben jedoch ihre weiten Parkanlagen verloren. So reichte sein Park von Parkstraße 1 bis zu Treppe zum Alten Friedhof. Zwar ist er inzwischen mit einem Doppelhaus bebaut, aber noch befindet sich dort unter hohen Bäumen eine künstliche Höhle mit einem Rauchabzug, war also einmal zum Gebrauch gedacht. Ein Wandbrunnen bezeichnete die Ecke von Süd- und Parkstraße.
In den Treppenhäusern von Haus 2 und 3 befanden sich in den Eingangshallen unter den nach oben führenden Treppen mit Glasbildern geschmückte sog. Frühstückslauben. Das Haus Johannesstraße 7 hat leider beim Eigentümerwechsel nach dem Krieg erheblich Einbuße am Jugendstildekor erfahren.
Die Ansicht, "neu“ sei besser als "alt“, dominiert nicht nur das Denken "normaler“ Menschen, sondern auch die Pläne der Städtebauer. So wurden z.B. nach dem Krieg in Hildesheim die Reste der Häuser am Marktplatz weggeräumt und durch moderne Gebäude ersetzt. Viel später, als man erkannte, was verloren gegangen war, setzte man den neuen Gebäuden Fassaden vor, die den alten entsprachen. Auch in Helmstedt wurde abgeräumt, so, neben anderen, auch das Haus Südstraße 10A. Es ist heute sogar schwer, eine Abbildung zu finden.
Später sagte mir ein Helmstedter: “Ich bin froh, dass wir nicht alles gemacht haben, was wir geplant hatten.“ Trauern wir also nicht über Verschwundenes, erfreuen uns vielmehr an dem, was uns erhalten geblieben ist.
Die Firma“ Döring &Lehrmann“ übernahm für den Bau des neuen Rathauses die Abbrucharbeiten und die Verwertung des Bauschutts. Die Maurer- und Steinhauerarbeiten wurden ebenfalls der Firma Döring und Lehrmann nach Ausschreibung übertragen.(H.E.Müller S.701)
Der Kreisbaumeister Heinrich Lehrmann war aktiver Logenbruder in verschiedenen Positionen. Ihm verdankte die Freimaurerloge "Julia Carolina zu den drei Helmen“ einen dem Ritus dienenden zweistöckigen Anbau an das Logenhaus, hinter dem Beiereishaus.
Nachrichten aus den Familien lassen ein Elitebewusstsein und gesellschaftlich höhere Ansprüche erkennen. So studieren die Söhne Paul Döring und Richard Lehrmann in Bonn, zu jener Zeit eine Universität des Erb- und Geldadels. Paul Döring wurde Jurist. Richard Lehrmann kam nach Helmstedt zurück.
Karl Döring geboren am 4.8.1873 ist zeitweise in Holzminden gemeldet, vermutlich zum Besuch der Baugewerkschule. Er wird auf dem Meldezettel 1901 als Ingenieur geführt. Kurz vor dem Weltkrieg reist er für einige Monate in Afrika, wo sich mehrere deutsche Kolonien befinden. Das Adressbuch der Stadt Helmstedt der Jahre 1914/15 führt ihn als Direktor der Firma "Döring und Lehrmann“. Er bewohnt das Haus Südstaße 10A.
Im Jahr 1904 wurde die in Helmstedt ansässige die Kommanditgesellschaft "Döring&Lehrmann“ in eine A.G. umgewandelt und verschaffte sich dadurch wirtschaftliche Flexibilität. Sie spezialisierte sich “. auf den Bau von Brikettfabriken und Abraumarbeiten zur Freilegung von Kohleflözen.“
(Quelle:Aktien-Archiv Branchen)
Zwei Beispiele zu den Tätigkeiten der Firma:
"So war für die Ausführung des Baus der Brikettfabrik Carl ( Frechen-Grefrath) die aus Helmstedt stammende Firma Döring & Lehrmann zuständig. Dasselbe Unternehmen begann 1905 mit der Anlage des Tagebaus durch Entfernung des Abraums“.
(Quelle:W.Buschmann, in Brikettfabrik Karl,Reihnische Industriekultur, 2004-2006)
"Für den innerbetrieblichen Transport von Braunkohle und Abraum gab es eine Werksbahn auf 900mm Spurbreite. Ursprünglich war sie wohl vom Abraumbetrieb "Döring und Lehrmann“ eingeführt worden.“
(Quelle: J.Ihme, die Braunschweigischen Kohlenbergwerke und ihre Bahnen, Forum Industriekultur, 2023)
Vor dem 2. Weltkrieg bestand eine freundschaftliche Verbindung meiner Eltern zur Familie Lehrmann. Mir sind zwei Erzählungen in Erinnerung. Die Firma "Döring und Lehrmann“ sei eine "Weltfirma "gewesen. Sie habe sogar in Argentinien Aufträge ausgeführt.
Weil der Bauhof in der Stobenstraße 35/36 zu klein geworden war, habe man dem Gut Kramer/Hänichen angeboten, dessen Areal in der Stobenstraße zu übernehmen gegen die Einrichtung eines modernen Gutsbetriebes auf dessen eigenen Äckern.
Soweit die Fama (Geschichte/Gerücht)! Sitz der Firma befand sich in der Stobenstraße 35/36. Als der zu eng wurde, bezog die Firma ein weiträumigeres Gelände in der Henkestraße. Die Zusammenarbeit der Firma "Döring&Lehrmann“ mit den BKB war eine symbiotische. Je weiter die Braunschweigischen Kohlenwerke, die "BKB“ expandierten, je mehr Braunkohlelagerstätten sie ausbeuteten, umso enger wurde die Zusammenarbeit mit "Döhring&Lehrmann“, die den Abraum besorgte.
Diese Arbeiten für die BKB scheinen eine Hauptaufgabe für "Döring&Lehrmann“ geworden zu sein.
Das wurde der Firma zum Verhängnis. Der Eintrag auf den "Details zum Wertpapier“erklärt das "…. wo sie (die Firma Döring und Lehrmann AG) bei Ausbruch des 1. Weltkrieges über 4.000 Arbeiter in 51 Baggerbetrieben beschäftigte. Weil die Mehrzahl der Arbeiter zum Kriegsdienst einberufen wurden, kamen die Arbeiten zum Erliegen. Doch die Braunkohlengesellschaften bestanden auf Erfüllung der mehrjährigen Verträge und trieben "Döring und Lehrmann“ damit in den Ruin. Fast alle Eimer- und Löffelbagger sowie die Abraumzüge mit 50 Lokomotiven, 700 Kastenkippwagen und 6 Gleisrückmaschinen mussten an die Bergwerke abgetreten werden.“
Auch in der Stadt wurde dieser Umbruch deutlich. Die Villa der Dörings in der Südstraße wird das Wohnhaus eines Direktors der BKB. Das Lehrmannsche Haus in der Südstraße wird zur "akademischen Burse“ und ist jetzt Bürohaus des Landkreises. Das Haus in der Johannestraße 7 ist lange Jahre Privatbesitz des Dr. med. Hans Schuster und seiner Frau Else, geb. Döring.
Der Name Döring verschwindet aus den Annalen der Stadt.
Auf dem Friedhof von St. Stephani scheint die schöne weibliche Gestalt der Grabstelle Döring nicht nur um die zu ihren Füßen begrabenen Toten zu trauern, sondern auch um das unverdiente Ende der stolzen Firma.
Die Brüder Erich und Richard Lehrmann haben am Emmerstedter Bahnhof eine Ziegelbrennerei betrieben und ein Haus gebaut, dessen Konzept auch großbürgerliche Züge zeigt. Es ist noch in Händen der Familie. Der Bauhof der vergangenen Firma in der Henkestraße bleibt noch bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg Sitz einer anderen Baufirma gleichen Namens.
Beitrag: Joachim Giermann
Quelle:
Helmstedter Altstadt-Brief
Ausgabe: 2 / 2025
Redakteur - Herbert Rohm
Seit dem 13.06.2025 wurde diese Seite 124 mal aufgerufen.